Die skurrilen Reisen der Privatiers

 

In aussergewöhnlich gut informierten Kreisen wurde berichtet, dass sich in Friedheim zwei deutsche, beziehungsweise sogar bayrische, bürgerliche und außergewöhnlich reiche Privatiers niedergelassen haben. Um sich scharen sie verschiedene Künstler und Künstlerinnen, als deren Mäzene sie sich bezeichnen. Unter anderem tummeln sich ein Dichter namens Hansen, ein Musiker namens Zacharias Kreitmayr und eine Tänzerin namens Zilly im geldgeschwängerten Dunstkreis der Herren Pschorr und Dallmayr.

Doch nicht nur Künstler und andere Hedonisten versammeln die reichen Herren um sich, sondern auch gleich eine ganze Gruppe zwielichtiger Gestalten aus Jamestown, damit diese für ihre persönliche Sicherheit sorgen. The Needles, eine berüchtigte und bewaffnete Gruppe aus dem Jamestowner Rotlichtbezirk, wurde von ihnen als Personenschutz angeheuert.

Dadurch fühlten sie sich anscheinend so sicher, dass die Snobs sogar einen Picknick-Ausflug ins Taboo-Moor anstrebten, für den sie eigens auf einem Bollerwagen einen Korb mit Champagner und mehrere Servier-Platten mit belegten Schnittchen transportieren ließen. Dummerweise gerieten sie auf dem Weg ins Moor in einen Hinterhalt der eigentlich ebenso verrückten Huntsmen.

Die begleitenden Needles, die den Hinterhalt rechtzeitig entdeckten und ihrem Schutzauftrag vorbildlich nachkamen, versuchten die Herren Pschorr und Dallmayr zur Umkehr zu bewegen. Herr Pschorr fasste sich jedoch entgegen allen Ratschlägen ein Herz und trat mutig mit einer Platte Schnittchen in seiner glace- behandschuhten Hand auf die freie Fläche vor den Gebüschen, in denen die schießwütigen Huntsmen lauerten. Dort zog er seinen Zylinder und rief ihnen zu: „Guten Tag, meine Herren. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Pankratz Pschorr. Mögen Sie ein paar hors d'oeuvres?“

Leider ließen sich die Huntsmen davon nur wenig beeindrucken und schossen mit ihren Musketen unmittelbar auf Herrn Pschorr, der im Kugelhagel und einem kleinen Regen aus Lachs- und Eierschnittchen zu Boden ging. So blieb den Needles nur noch, den Verletzten aus der Gefahrenzone zu ziehen und einen geordneten Rückzug mit einigen Schusswechseln anzutreten. Herr Dallmayr rettete dabei sogar noch todesverachtend die ebenfalls zu Boden gegangene Porzellanplatte mit einem Großteil der Schnittchen. Ein paar blieben jedoch liegen und sorgten so dafür, dass sich die Gruppe zurückziehen konnte. Denn vor einer weiteren Verfolgung machten sich die Huntsmen über die Sandwiches her.

Kaum verarztet, genäht und halbwegs genesen, hielten die betuchten Schnösel es offenbar für angebracht, nun auch noch der Opiumhöhle in Jamestown einen Besuch abzustatten. Der Drogenkonsum führte dazu, dass der Musiker Kreitmayr sich im Rausch offenbar einbildete, bei den Needles zu wohnen, während sich die

 

Privatiers und der Rest ihrer Künstler Rücken an Rücken wie ein Kleeblatt vor der Opiumhöhle aufstellten und den ach so blauen Himmel bewunderten.

Nachdem das Picknick im Moor leider ausgefallen war, wurde dieses am nächsten Tag einfach kurzentschlossen am verseuchten und ebenfalls nicht ungefährlichen Ufer des Hawakani-Creek nachgeholt. Dank erneuter Verpflichtung der wehrhaften Needles verlief dieses Event weitgehend glimpflich. Naja, bis auf eine enervierend anstrengende Unterhaltung der beiden Privatiers mit einer Hawakani- Einheimischen, die des Deutschen noch weniger mächtig war als des Englischen. Herrn Dallmayrs Rat, „Wenn sie Dich nicht versteht, musst Du einfach nur lauter sprechen!“, erwies sich dabei nicht wirklich als hilfreich. Lockte das laute Geschrei doch eher wieder Huntsmen und andere Gestalten an, als für Verständigung zu sorgen.

Kaum zurück vom Picknick und von den Needles verabschiedet, wurde Herr Pschorr bei einem Spaziergang durch Jamestown auch schon wieder von den in die Stadt einfallenden Huntsmen beschossen, und dieses Mal sogar lebensgefährlich verletzt. Die im Pulverdampf rasch herbeigerufenen Needles schafften den schwer verletzten Körper ins Taboo-Moor. Mr. Pic von den Needles nähte grob die Wunde am Hals, der Dichter spendete sein Blut. Und Dank einiger aufwändigen Rituale durch Madame Mambo mit ihrem Püppchen Manu und letztlich sogar durch die seelensaugenden Narunen in ihrer Hütte im Wald, konnte Herr Pschorr nach einem kurzfristigen Herzstillstand und einer schlimmen Nahtoderfahrung spektakulär und vollständig von seinen schweren Verletzungen geheilt werden.

Darüber freuten sich die Herren Pschorr und Dallmayr so außerordentlich, dass sie zum Ausklang des Abends das komplette Bordell „The Hole“ für sich und ihre Entourage mieteten, um mit alkoholischen, kulinarischen und sexuellen Exzessen ihr dekadentes Leben zu feiern.

Für neugierige Ohren waren scheinbar deutlich auch außerhalb des Etablissements im Red-Light-District von Jamestown neben lauter Musik und klirrenden Gläsern auch knallende Peitschen, schmerzerfüllte Schreie und wildes Gestöhne zu hören.

Sogar die Needles waren zu dieser geschlossenen Privatparty geladen. Leider konnte man auch denen keine weiteren Details zu den Geschehnissen entlocken, da sie sich auf die im Barrel allseits bekannten Slogans beriefen: „What happens in the hole, stays in the hole! And snitches get stiches!“

 

(geschrieben und lektoriert von Axel Eversmeyer und Sanna Endler)