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Die Geschichte vom roten Stein

Es war vor vielen Jahren, als der Herrscher über ganz Silurien durch das Land zog. Hier und dort betrachtete er seine Ländereien und war verzückt von der Schönheit, die sich ihm überall offenbarte. Auf seiner Reise besuchte er auch die Stadt der Künste und schillernde Perle seines Reiches: Tollgund.
Die Menschen freuten sich und bereiteten dem Herrscher ein frohes Willkommen. Die Gelehrten und Händler aus dem Viertel Kardor zerstreuten den Herrscher mit erlesenen Speisen und Gedichten. Die Waldläufer und Mönche aus Bollborg erlegten im Wald Wild und füllten die Bäuche der Feiernden mit Braten und Bier. Die Menschen aus Croga brachten frisches Brot und Geschichten über Wagemut an die Tische der Feiernden. Das Viertel Uppdag unterhielt alle mit den Künsten der fahrenden Völker.
Ganz Tollgund war für Tage erfüllt vom Gelächter der Menschen, der Kunst des Augenblicks und dem gemeinsamen Frohsinn. Doch als die Feierlichkeiten andauerten, kamen aus dem Gebiet nahe des Waldes dreckiges und unlauteres Pack. Es mischte sich unter die Feiernden und bald wurden Beutel geschnitten, Krüge entwendet und Teller geräubert. Selbst der König selbst blieb nicht verschont. Das Pack stahl den goldenen Pokal vom Tisch des Königs.
Obwohl die Tollwacht die Räuber verfolgten, konnten diese ungesehen in ihren dunklen Gassen verschwinden. Die Rufe wurden laut, die Gassen neben dem Wald niederzubrennen und die gestohlen Güter wieder zu bekommen. Das Dorf war beschämt über den Diebstahl am König und die Feierlichkeiten kamen zum Erliegen.
Die Tollwacht durchkämmte einen gesamten Tag die Gassen und Wege am Wald. Jedoch blieben alle gestohlenen Güter verschwunden. Geknickt kehrte eine Wache nach der anderen zurück und wagte es nicht den aufgebrachten Bürgern ins Gesicht zu schauen.
Als die Nacht hereinbrach und die Lichter der Stadt entzündet wurden, blieben die Trommeln der Stadt still. Keine Feiern, kein Gesang und keine Gedichte. Da nahm sich einer der Händler der Stadt ein Herz. Er schulterte einen großen Sack und marschierte in die dunklen Gassen. Wohlwissend um die Gefahr die ihn dort erwartet.
Wenige Stunden später kamen Gestalten zur Stadt gelaufen. Sie reichten den Bürgern das gestohlene Gut und baten um Vergebung. Sie flehten um ihr Leben und verkrochen sich wieder in der Dunkelheit. Die Bürger waren verwundert, waren doch alle Wachen in der Stadt und nur ein einziger Händler in den Gassen unterwegs.
Noch vor Mitternacht kehrte der Händler aus den Gassen zurück. Fast alle Waren hatten ihren Weg zurück zu den Bürgern gefunden und in der Hand hielt er den goldenen Pokal des Königs. Jubel brandete auf und als habe man ihnen die Last der Scham genommen, fingen die Menschen wieder an zu feiern. Sie feierten den Händler, sie feierten den König und sie feierten Tollgund.
Der Händler wurde vor den Tisch des Königs geführt. Beeindruckt von seiner Kühnheit bat der König ihn zu erzählen, wie ihm dieses Kunststück gelungen sei. Stolz trat der Händler vor und berichtete. Sein Name sei Töpfer und er sei der beste Kesselflicker in Tollgund. Als die Nacht hereinbrach habe er Töpfe und Besteck in einen Sack geworfen und sei damit durch die Gassen gezogen. Er habe an alle Eingänge geklopft und behauptet, dass die gepanzerte Garde des Königs gekommen sei. Sie würde das Eigentum der Bewohner fordern. Jeder habe jedoch das Recht einer Strafe zu entgehen, wenn er das Diebesgut zurückbringe. Dann sei er weiter scheppernd und klirrend in der Dunkelheit durch die Straßen gezogen.
Der König lachte herzhaft und ganz Tollgund freute sich über den einfallsreichen Händler und seinen Mut. Als der König seinen Pokal entgegen nahm, blickte er zum Händler und rief ihn zu sich.
„Werter Herr Töpfer. Heute habt ihr mir und der Stadt Tollgund einen Dienst getan. Menschen eures Verstandes, Mutes und Bereitschaft benötigt diese Stadt. Daher habe ich eine Aufgabe an euch. Verwaltet in meinem Namen diese Stadt. Erhebt die Zölle auf die umliegenden Straßen und seit das bindende Glied zwischen Vierteln, Stadt und Königreich. Dafür soll es euch nie schlecht gehen. Eure Verpflichtung endet, wenn ihr mir meinen Königsrubin wiederbeschafft. Dieser ruhte bis zum heutigen Abend in diesem Pokal.“
Damit erhob sich der König und zeigte den Anwesenden den Pokal. An der Seite war ein großer Edelstein herausgebrochen. Der Händler ließ sich auf ein Knie nieder und verneigte sich tief vor dem König. Voller Demut nahm er die Gabe des Königs an.
„Du und deine Erben. Ihr habt damit eine Verpflichtung gegenüber den Bürgern von Tollgund und gegenüber der Krone. Damit ihr diese nie vergesst, werdet ihr fortan von Rotstein heißen. Eure Schuld ist getilgt und ihr aus eurem Amt entlassen, wenn der Königsrubin zum Königshaus zurückkehrt."
Obwohl der Stein verloren war, jubelten die Tollgunder. Denn sie hatten nun jemanden aus ihrer Mitte, der mit Ihnen die Geschicke der Stadt lenkte. Die Familie vom roten Stein.

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