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Rassismus, Homophobie und Sex als Spielpotential?

Einige fragten uns: „Wo sind die Grenzen? Was habt Ihr für Regeln?“

Oft ging es um heikle Themen: Transgender, Diskriminierung, Erotik…

Wir geben erst eine allgemeine Antwort. Dann untermauern wir unsere Einstellung mit Beispielen.

Egal, was Ihr uns fragt, wir antworten immer das Gleiche: Ob es um Infight und Kopftreffer geht – oder um Rassismus oder Erotik-Regeln:

 

Wir haben keine klaren Regeln.

 

Es gibt kein Punktezählen oder „Kopftreffer sind nicht erlaubt“. Genauso nutzen wir auch keine Erotik Regeln wie „wenn du meinen Arm anfasst, haben wir etwas Sex. Wenn ich dir dann eine Karte gebe, dann…“ Auch nicht: „Jeder Art von Rassismus ist grundsätzlich verboten.“

 

Im Kern steht Empathie

 

Das ist unser Haupt-Wert. Wir machen Larps für empathische Menschen. Mit empathischen Menschen.

 

Du willst mindestens niemanden verletzten. Und die meisten von uns möchten, Szenen bereichern. Du sorgst dafür, dich zu schützen. Und schützt andere. Du möchtest, dass andere durch deine Handlungen mehr Freude empfinden.

 

Mit dieser Einstellung BRAUCHEN wir keine harten Regeln. Es gibt Ausnahmen, später mehr dazu.

 

Wenn du dich jetzt fragst: „Ah, also ist das und das also erlaubt? Cool!“ Frag dich erst: „Ist das bereichernd? Für andere? Verletze ich vielleicht andere damit?“

Dann weißt du gleich, ob es wirklich erlaubt ist. Oder besser: Ob es Sinn macht.

 

Bist du dir unsicher? Dann lass es lieber. Oder frag andere SC vorher.

 

Wir können uns auch vorsichtig an Grenzen herantasten. Und zur Not haben wir eine harte Regel:

„Wirklich, wirklich!“

 

Das hat sich im Larp inzwischen durchgesetzt. Wenn du „Das tut mir wirklich, wirklich weh!“ sagst, heißt das: „Ich möchte das OT nicht“ oder „Hier ist meine Grenze überschritten.“

 

So behält jeder die Kontrolle und kann dem anderen klare Grenzen aufzeigen. Du zeigst DEINE Grenzen auf. Achtest auf die Grenzen der anderen.

So bleiben wir auch im Spiel – und können uns vorsichtig vortasten. Grenzen ausloten. Voneinander lernen.

 

Klar, das klappt alles nur, wenn wir davon ausgehen, dass wir mit gesunden und empathischen Menschen spielen. Die ein Gefühl für andere haben UND empathisch sein wollen. Wir werden immer ein paar Unempathen dabeihaben. Aber diese werden ihre Handlungen nicht wirklich verbessern, wenn wir versuchen ALLES mit Regeln sicher zu machen. Der Unempath bricht die Regeln (bewusst oder unbewusst) – oder findet Schlupflöcher.

 

Lösung? Bei den grenzwertigen Fällen geben wir Feedback. Und die SC, denen wir gar nicht mehr vertrauen, dürfen nicht mehr dabei sein.

 

Uns geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen. Unser Bewusstsein für andere zu schärfen. Für die Szene. Mit zu vielen Regeln, verlieren wir eher den Fokus.

 

Ich habe das lange beim Kinder-Karate ausprobiert: Wenn wir Spiele mit harten Regeln gespielt hatten, gab es mehr Streit und Verletzungen. Aber mit: „Du bist so hart zu den anderen, dass es passt. Du willst niemanden verletzten.“ Hatte es viel mehr Spaß gemacht. Die Kids waren viel vorsichtiger – oder auch härter mit denen, die es brauchten/wollten. Selbst die „grenzwertigen“ Kids haben das super schnell gelernt.

 

Jetzt zu den Beispielen:

 

Rassismus: Wir nutzen Rassismus gegen Anderlinge auf dem Tollgund – gegen Elfen, Zwerge etc. Das ist für uns spielbereichernd – und hat wenig Risiken. Warum? Weil die meisten von uns keine echten Elfen sind. Es ist nur eine Rolle. Und nebenbei spielen nur gebriefte NSC mal einen Anderling.

 

Rassismus auf dem Taboo wird brisanter. Wenn wir historisch korrekt wären, müssten wir den pushen. Gegen Natives, Schwarze… Wie viel Spielpotential hat das wirklich? Wie riskant ist das Spiel? Im Zweifel lass ich es lieber.

 

Frauenfeindlichkeit und Homophobie: Ja, das war damals normal – nur auf Larp ist das Risiko sehr hoch, dass wir anderen damit schaden. Die OT Persönlichkeit ist zu nah an der IT Rolle.

 

„Ja, warum verbietet ihr es nicht gleich?“ Weil es Ausnahmen geben könnte. Vielleicht spielt ein Mann eine Frau und hätte Lust darauf, anti-feministische Sprüche zu hören. Vielleicht spielt ein Deutscher einen Iren – und findet es bereichernd, wenn „Engländer“ (Deutsche, die Engländer spielen) Sprüche gegen Iren bringen. Vielleicht entstehen coole Szenen, die wir uns gerade nicht vorstellen können – ohne dass sich jemand gekränkt fühlt.

 

Solange wir vorsichtig sind und bewusst damit umgehen, können wir Dinge ausprobieren. Zur Not sagt jemand „wirklich, wirklich“. Oder wir fragen kurz nach: „War das wirklich, wirklich noch okay für dich?“ Wenn nicht? Das entschuldigen wir uns und lernen draus.

 

Wenn Hundewelpen oder Kinder miteinander raufen, lernen sie durchs Ausprobieren. Wenn einer übertreibt, spielt er bald allein. Stell dir vor, wir hätten ihnen gleich klare Regeln mitgegeben? Der Hund, der immer an der Leine ist, lernt weniger. Und hat weniger Spaß.

 

Wir wollen vollen Spaß! Und Wachstum. Und Empathie!


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Kommentare: 2
  • #1

    Claes (Freitag, 03 Juni 2022 11:19)

    Finde ich plausiblel. Insbesondere, weil ich die Einschätzung teile, dass Munchkins/Unempathen bei jedem Regelwerk einen Weg finden, es gegen diejenigen zu wenden, die nach der Absicht der Regeln handeln, statt nach deren Buchstaben.
    Bei Wunschkonzert würde ich sagen: lasst uns nur eine Sicherheitsformel etablieren, egal, ob nun "Oh, Mutter" oder "wirklich wirklich". Das finde ich prägnanter. Aber zwei gehen auch, kein Ding.

  • #2

    Heiko (Mittwoch, 20 März 2024 10:39)

    Hey Claes, haste recht! Lieber nur eine Sicherheits-Formel. Bei "Oh, Mutter" hatten einige eher Probleme. Daher lassen wir das lieber. Ab jetzt nur noch: "Wirklich, wirklich..."