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Play to win? Play to loose? Play to play!

In Liverollenspielen gibt es im Spiel die Möglichkeit für allerlei Konfliktsituationen, aus denen ein Charakter augenscheinlich als Gewinner oder als Verlierer hervorgehen kann. Dazu zählen natürlich Kämpfe mit Polsterwaffen, aber auch vieles andere - Streitgespräche, Verhandlungen, Intrigen, Diebstähle, Erpressungen, Anschläge, …


Im günstigen Fall ziehen dabei alle Beteiligten aus dem Spielen des Konfliktes selber eine gewisse Befriedigung. Das nennt sich dann konstruktives Konfliktspiel.
Auch jeder Kampf ist - wenn es gut läuft - ein konstruktives Konfliktspiel. Mit anderen Worten, wenn die Charaktere sich unerbittlich an den Kragen gehen und die Spieler sich nach dem Spiel gegenseitig sagen "Das war ja saucool! Schöne Szene, die wir da erschaffen haben! Schönes Spiel mit dir!", dann ist etwas sehr Grundlegendes gelungen.

 

Viele Menschen finden Konflikte im Spiel ganz besonders dann befriedigend, wenn sie sie gewinnen und dieses Bedürfnis wird auf vielen Cons dadurch bedient, dass NSC´s Scharen von Monstern spielen und den Spielern die Befriedigung gegönnt wird, diese Monster zu besiegen. Das scheint allgemein recht gut zu funktionieren, ist aber auf Tollgund nicht unser Konzept und nicht unser Schwerpunkt. Wir suchen nach anderen Arten, Befriedigung aus dem (Konflikt-)Spiel zu ziehen.

 

Wir wollen also bei Tollgund nicht, dass, in einer Szene oder einem Handlungsstrang gewinnen zu wollen, die Hauptmotivation für´s Spielen ist. Play to win ist nicht unser Ding.


Aber worum geht es dann? Drehen wir das jetzt einfach um? Wollen wir jetzt alle verlieren?
Nein, darum geht es auch nicht!
Es geht auf jeden Fall um einen Spielstil, der viel mit konstruktivem Konfliktspiel zu tun hat.
Was heißt das genau? Und welche Haltung kann uns dabei helfen, ein gelungenes Konfliktspiel wahrscheinlicher zu machen?


Folgende Überlegungen zum Thema Ausspielen, bringen uns der Sache näher:

In Larp-Regelwerken wird meist versucht, festzulegen, was ein Charakter kann und wie viel er einstecken kann, was sich dann je nach Erfahrung (Contagen) des Charakters unterscheidet. Diese Art, die Macht eines Charakters festzulegen, geht meist mit folgendem Prinzip einher:

  • Wer besonders mächtig ist, kann Dinge mit weniger Aufwand oder einfach so - mit einem Fingerschnippen - bewirken. Wer weniger mächtig ist, muss aufwändiger ausspielen.
  • Wer besonders mächtig ist, kann auch mehr einstecken und muss nicht (so doll) reagieren.
  • Wer weniger mächtig ist, muss Treffer (früher/stärker) ausspielen.

Das hat zwar eine gewisse Logik, aber auch einen gravierenden Haken: Ausspielen (zu müssen), wird dabei implizit wie ein Nachteil behandelt. Im Extremfall verkommt das Ausspielen gefühlt zu einer regeltechnischen Bestrafung für Charaktere, die weniger erfahren und mächtig sind. Ausspielen fühlt sich dann an, wie etwas, das man leider manchmal tun muss.

 

Wenn eine solche Denkweise (bewusst oder unbewusst) das Spiel prägt, dann ist das schade, denn Spielen und Ausspielen sind ja letztendlich dasselbe - nämlich der Grund warum wir dieses Hobby überhaupt betreiben und uns auf Cons treffen.

 

Auf Tollgund wollen wir (Aus-)Spielen niemals als Nachteil, Hürde oder Bestrafung betrachten. Wir wollen spielen! Und jede Gelegenheit, etwas ausspielen zu dürfen, ist ein positives Spielangebot - auch wenn es sich für den Charakter um eine Verletzung oder eine Niederlage handelt.

 

Wir wollen miteinander kooperieren, um ergreifende Geschichten und schöne Szenen zu erschaffen. Wir wollen intensive Gefühle sehen und erleben. Wir betrachten Larp als ein hochkomplexes, zu großen Teilen improvisiertes Theaterstück, das wir miteinander für uns selbst und uns gegenseitig erschaffen. Die Frage, ob der eigene Charakter dabei an der ein oder anderen Stelle Erfolg oder Misserfolg erlebt, tritt ein wenig in den Hintergrund - dass wir zusammen ein Stück intensive Geschichte erzählen, tritt in den Vordergrund.


Ein Charakter darf gerne irgendwas gewinnen wollen und dafür alles geben.

Für den Spielenden kann es dabei aber wichtigere und interessantere Fragen geben, als die Frage, ob der Charakter Erfolg hat.


Zum Beispiel:

       Bin ich präsent? Spüre ich mich?

       Bin ich in Kontakt mit meinem Gegenüber / mit meinen Mitspielern?

       Erschaffen wir gerade eine schöne, intensive, lohnenswerte, erlebenswerte Szene miteinander? Was könnte sie noch brauchen? Was möchte ich noch erleben oder zeigen?

       Bin ich in Kontakt mit den anderen, die diese Szene gerade eher als Zuschauer verfolgen? Kann ich die Aufmerksamkeit, die ich bekomme, annehmen und als Antrieb nutzen, um etwas Bewegendes und Sehenswertes geben zu können?

       Genieße ich, was ich tue?

 

Tollgund ist voller Geschichten - Geschichten zum Hören, zum (Weiter-)Erzählen und zum selber Erleben. Während wir spielen, erleben, erschaffen, erzählen und zeigen wir ein Stück Tollgundgeschichte. Wir tun das weder, um zu gewinnen, noch, um zu verlieren. Wir brennen für das Erlebnis und für gute Geschichten!

 

Wir spielen, um zu spielen!

 

Unzählbare kleinere und größere Geschichten werden sich auf dem Tollgund Con abspielen.

Ein paar davon wirst Du erleben und mitgestalten. Mit Deinem Charakter bist du bereits Teil der Welt und Teil der Geschichte. Bei der Charaktererschaffung und auch beim Spielen auf dem Con kann sowohl die Frage "Was möchte ich erleben?" als auch die Frage "Was möchte ich geben?" hilfreich sein. Manchmal - genau genommen ziemlich häufig - verschafft man sich selbst ein unvergessliches Spielerlebnis, indem man anderen ein solches ermöglicht.


Wenn der Con beginnt:

 

Lasst uns miteinander viele Tollgund Geschichten erschaffen!

 

Roland, Orga Waldteam


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